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URTEILE
Mit seinem
Urteil vom 05.02.2013 (Az.: VI ZR 363/11) hat der Bundesgerichtshof
(BGH) zu zwei Problemkreisen bei der Unfallregulierung Stellung
genommen und die von der Vorinstanz (LG Potsdam) getroffene
Entscheidung als rechtsfehlerfrei bestätigt.
1. Umsatzsteuererstattung bei Ersatzbeschaffung
Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem
Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der
Reparaturkosten besteht (also kein Totalschaden, sondern
Reparaturschaden), und rechnet er den Schaden trotzdem konkret auf der
Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein
Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung
tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.
Der Anspruch ist dabei auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.
Die Versicherung des Schädigers wollte hingegen den Schaden nur in Höhe
der gutachterlich festgestellten Netto-Reparaturkosten abrechnen und
sich dadurch in diesem Fall ca. € 1.850,- sparen. Dem hat der BGH
mit diesem Urteil widersprochen.
2. Nutzungsausfalldauer/Überbrückungsfahrzeug
Daneben hat sich der BGH zur Dauer des Nutzungsausfalls und der
Inanspruchnahme eines "familiären Überbrückungsfahrzeuges" geäußert.
Der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls bestehe für die
erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur- bzw.
Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung
und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit. In diesem Fall
war die Dauer der Gutachtenerstellung deshalb länger als üblich, da der
Unfall kurz vor Weihnachten und den anschließenden Feiertagen geschah. Diese längere Dauer ging hier nicht zulasten des Geschädigten.
Ebenfalls entlastete es die eintrittspflichtige Versicherung nicht,
dass der Geschädigte bis zur Ersatzbeschaffung auf das Fahrzeug seines
Vaters zurückgreifen konnte. Nach dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4
BGB sei der Schädiger nicht durch eine (freiwillige) Leistung Dritter
entlastet, die ihm nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften
nicht zugute kommen solle. Dies gilt nach dem BGH auch für den
Nutzungsausfallschaden.
Reparaturschaden und Ersatzbeschaffung
BGH, Urteil vom 05.02.2013, VI ZR 363/11:
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Geschädigte eines
Verkehrsunfalls, der im Falle eines Reparaturschadens nicht repariert,
sondern ein Ersatzfahrzeug kauft, die im Kaufvertrag enthaltene
Mehrwertsteuer bis zur Höhe der Mehrwertsteuer der kalkulierten
Reparaturkosten vom Gegner erstattet bekommt. Daneben erhält er den
Netto-Reparaturbetrag. Von einer unzulässigen Kombination von konkreter
und fiktiver Abrechnung könne dabei nicht die Rede sein, wie dies die
beklagte Versicherung jedoch vertrat.
OLG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 16 U 171/13:
Das OLG Köln hat entschieden, dass der
Geschädigte im Falle eines Reparaturschadens (die nach Gutachten
kalkulierten Reparaturkosten sind geringer als der
Wiederbeschaffungswert) zunächst die Reparaturkosten fiktiv nach
Gutachten abrechnen kann und bei einer späteren (unwirtschaftlichen)
Ersatzbeschaffung den Mehrwertsteueranteil der kalkulierten
Reparaturkosten ersetzt verlangen kann, soweit die Kosten der
Ersatzbeschaffung den Netto-Reparaturwert übersteigen.
Die Mehrwertsteuer ist also auf den Betrag beschränkt, der bei der
wirtschaftlichen Reparatur angefallen wäre. Damit folgt das OLG Köln
der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.02.2013, VI ZR 363/11).
Fiktive
Schadensabrechnung und Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt
BGH, VI ZR 259/09:
Mit
Urteil vom 13.07.2010 hat der Bundesgerichtshof eintschieden, dass der
Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in
einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt"
verweisen kann, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine
Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur
in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er
gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die
diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt
unzumutbar machen würden.
Die vom Schädiger dabei zugrundegelegten Stundenverrechnungssätze der
freien Werkstatt müssen dem allgemeinen Markt zugänglich sein.
Unzumutbar ist dem Geschädigten der Verweis auf eine freie Werkstatt
insbesondere, wenn sein Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist sowie
wenn er in der Vergangenheit sein Fahrzeug zur Reparatur und Wartung in
eine Markenwerkstatt gab.
BGH, VI ZR 53/09:
Mit
Urteil vom 20.10.2009 hat der BGH unter dem Aktenzeichen VI
ZR 53/09
entschieden,
dass der Geschädigte der (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich
die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen
Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter
Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt
hat.
Will
der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine
günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres
zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, muss der Schädiger
darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom
Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen
Fachwerkstatt entspricht.
Sollte
dem Schädiger dies gelingen,
kann
es für den Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl
unzumutbar, sich auf eine freie Werkstatt verweisen zu lassen, etwa
wenn das Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist oder in der
Vergangenheit stets zur Wartung und Reparatur in einer Markenwerkstatt
war.
LG Darmstadt, 25 S 87/10:
Mit Urteil vom 18.08.2010 hat das Landgericht Darmstadt im Anschluss an
die aktuelle BGH-Rechtsprechung eintschieden, dass der Geschädigte bei
älteren Fahrzeugen auch bei fiktiver Abrechnung die
Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt
beanspruchen kann, wenn er in der Vergangenheit die Reparaturarbeiten
in einer Markenwerkstatt hat durchführen lassen. Darauf ob er auch die
Wartungen in einer Markenwerkstatt hat durchführen lassen kommt es
dagegen nicht an. Die Vorlage des Serviceheftes ist insofern nicht
notwendig.
Fiktive
Schadensabrechnung
LG Duisburg, 2 O 142/14: Das
LG Diusburg (Urteil vom 30.01.2015, 2 O 142/14) folgt der
Rechtsprechung des BGH, wonach im Falle eines Totalschadens der durch
einen vom Geschädigten hinzugezogenen Gutachter auf dem regionalen
Markt ermittelte Restwert (drei Angebote) der Regulierung zugrunde zu
legen ist, wenn das Fahrzeug (teil-)repariert weitergenutzt wird.
Entgegen den Versuchen der Versicherungen kann der Geschädigte dann
nicht auf ein von der Versicherung ermitteltes Restwertangebot, welches
auf Online-Restwertbörsen eingeholt wurde, verwiesen werden.
OLG
München, 10 U 859/13:
Das OLG
München hat mit Urteil vom 13.09.2013 (Az.: 10 U 859/13)
entschieden, dass bei fiktiver Abrechnung, die Reparaturkosten im
Fall einer Eigenreparatur nach den vom Sachverständigen kalkulierten
Kosten der Reparatur in einer im Wohnbereich des Geschädigten
ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu den
ortsüblichen Verrechnungssätzen zu ersetzen sind. Der Geschädigte
braucht sich in diesem Fall nicht auf eine günstigere auswärtige
Werkstatt verweisen zu lassen.
AG München, 343 C 1379/13:
Das
AG München (Urteil v. 20.08.2013) hat entschieden, dass
der Geschädigte eines Verkehrsunfalls beim Verweis auf eine
preisgünstigere Reparaturmöglichkeit ohne weitere eigene Kalkulation
und ohne weitere Nachfrage in der Lage sein muss, festzustellen, dass
die Reparatur in der anderen Werkstatt tatsächlich günstiger
durchgeführt werden kann. Dies setzt die Vorlage eines
Kostenvoranschlags der Werkstatt, auf die verwiesen wird, voraus (vgl.
auch LG Berlin, 16.01.2013, 43 S 136/12).
Totalschaden,
Internet-Restwertbörse
BGH, VI ZR 35/10:
Der BGH weist darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats der Geschädigte, der ein Sachverständigengutachten einholt, das
eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, und im Vertrauen auf den
darin genannten, auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelten
Restwert und die sich daraus ergebende Schadensersatzleistung des
Unfallgegners wirtschaftliche Dispositionen trifft, seiner
Schadensabrechnung grundsätzlich diesen Restwertbetrag zugrunde legen
kann.
BGH, VI ZR 119/09:
Mit diesem Urteil vom 08.12.2009 hat der BGH seine Rechtsprechung insbesondere vom 15.02.2005 (VI ZR 172/04) konkretisiert.
Danach können in den Fällen, in denen der Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem
Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegt, die Reparaturkosten nur
bei konkreter Schadensabrechnung ersetzt verlangt werden.
Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert
des Fahrzeugs kann dabei nur verlangt werden, wenn die Reparatur
fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der
Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat
(Senatsurteile BGHZ 154, 395 und 162, 161).
Reparaturkosten für eine Teilreparatur, die über dem
Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen und den
Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, können in diesen Fällen
ebenfalls nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret
angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem
Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt;
anderenfalls ist die Höhe des Ersatzan-spruchs auf den
Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (Senatsurteil BGHZ 162, 170).
BGH, I ZR 68/08:
Erstattet ein Sachverständiger im Auftrag eines Unfallgeschädigten ein
Gutachten über den Schaden an einem Unfallfahrzeug, das dem
Haftpflichtversicherer des Unfallgegners vorgelegt werden soll, ist der
Haftpflichtversicherer grundsätzlich nicht berechtigt, im Gutachten
enthaltene Lichtbilder ohne Einwilligung des Sachverständigen in eine
Restwertbörse im Internet einzustellen, um den vom Sachverständigen
ermittelten Restwert zu überprüfen.
BGH, VI ZR 232/09:
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der sein beschädigtes Fahrzeug
nicht reparieren lassen, sondern es veräußern und ein Ersatzfahrzeug
anschaffen will, darf seiner Schadensabrechnung im Allgemeinen
denjenigen Restwert zugrunde legen, den ein von ihm eingeschalteter
Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung
erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt
hat.
Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte für das Unfallfahrzeug
ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom
Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt. Die Beweislast hierfür
trifft den Schädiger/gegn. Kfz-Versicherung.
BGH, VI ZR 100/08:
Mit
seinem Urteil vom 03.03.2009 hat der BGH entschieden, dass bei der
Schadenabrechnung eines Verkehrsunfalls für die Beurteilung, ob
die fiktiven, durch einen Sachverständigen festgestellten
Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, grundsätzlich
die jeweiligen Bruttobeträge verglichen werden.
BGH, VI ZR 217/06:
Nach
dem BGH ist bei einer Weiternutzung des Fahrzeugs durch den
Geschädigten im sog. Totalschadenfall - im entschiedenen Fall Schaden
zwischen 100 % und 130 % des Wiederbeschaffungswertes - für die
Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungsaufwand, d.h.
Wiederbeschaffungswert abzügl. Restwert, grundsätzlich der durch einen
Sachverständigen festgetellte, auf dem regionalen Markt ermittelte,
Restwert in Abzug zu bringen. Ein durch die gegnerische Versicherung
nachgewiesenes höheres Restwertangebot eines Restwertaufkäufers aus
einer Internet-Restwertbörse ist nicht zugrunde zu legen.
BGH, VI ZR 120/06:
Nimmt
der Geschädigte im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens keine
Ersatzbeschaffung vor, sondern nutzt er sein unfallbeschädigtes
Fahrzeug
- ggf. nach einer Teilreparatur - weiter, ist im Falle eines
wirtschaftlichen Totalschadens - im entschiedenen Fall Reparaturkosten
höher als 130 % des Wiederbeschaffungswerts - bei der Berechnung des
fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes in der Regel nur der in einem
Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert
in Abzug zu bringen.
BGH, VI ZR 119/04:
Nimmt der Geschädigte
im Totalschadensfall eine Ersatzbeschaffung vor, kann er in der Regel
die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis
vornehmen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert
auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Er ist
grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für
Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen und kann vom
Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden,
der auf einem solchen Sondermarkt durch spezialisierte
Restwertaufkäufer erzielt werden könnte. Er muss sich einen höheren
Erlös allerdings anrechnen lassen, wenn er ihn bei tatsächlicher
Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere
Anstrengungen erzielt.
BGH, VI ZR 172/04:
Übersteigt der
Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs bis zu 30
%, kann der Geschädigte Reparaturkosten, die über dem
Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann
ersetzt verlangen, wenn die Reparaturkosten entweder konkret angefallen
sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang
repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt.
Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den
Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.
KG Berlin, Urteil vom 06.08.2015, 22 U 6/15:
Das Kammergericht hob die Entscheidung des Landgerichts Berlin auf,
welches der Meinung war, der Geschädigte hätte nach einem Verkehrsunfall
und nach Einreichung eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens auf ein höheres Restwertangebot der
Versicherung des Schädigers warten müssen, ehe er das Fahrzeug
entsprechend des Gutachtens verkauft hat.
Dem widerspricht das Kammergericht und verweist dabei auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 23.11.2010, VI ZR 35/10).
Der Geschädigte darf sich an dem Gutachten sowie dem regionalen Markt
orientieren und muss sich nicht an einem Angebot eines Restwerthändlers
außerhalb des ihm zugänglichen allgemeinen Marktes festhalten lassen,
welches über das Internet recherchiert wurde.
Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, dass ihm bei der Schadenbehebung
die vom Schädiger gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen
werden. Daher ist lediglich ein rechtzeitiges bzw. zumutbares erheblich
höheres Restwertangebot zu berücksichtigen. In diesem Fall sind dann
auch zumutbare überregionale bzw. zumutbare Angebote spezialisierter
Händler einzubeziehen.
Dieser Grundsatz lässt sich auch nicht dadurch unterlaufen, dass der
Versicherer des Schädigers dem Geschädigten ein Restwertangebot
ankündigt, um ihn auf diese Weise zur Aufgabe der ihm zustehenden
Befugnis und zum Abwarten zu zwingen.
Sog.
Sechs-Monats-Rechtsprechung
BGH, VI ZR 192/05:
Wenn
der Fahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt und der
Geschädigte sein Fahrzeug zunächst - auch unrepariert - weiter nutzt,
später aber veräußert, hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der vom
Sachverständigen geschätzten (fiktiven) Reparaturkosten ohne Abzug des
Restwerts,
wenn der Geschädigte das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem
Unfall weiter nutzt.
BGH, VI ZR, 77 /06 :
Mit Urteil vom 05.12.2006 macht der BGH deutlich, dass der Geschädigte
eines Verkehrsunfalls im Falle einer tatsächlichen Reparatur
grundsätzlich die Kosten der Reparatur - soweit diese den gutachterlich
geschätzten Wiederbeschaffungswert nicht überschreiten - ersetzt
verlangen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte das
Fahrzeug kurz nach der Reparatur veräußert. Eine Weiternutzung des
Fahrzeug ist insofern - anders als bei der fiktiven Abrechnung - nicht
notwendig. Für den Ansatz des Restwerts ist in diesem Fall kein Raum.
BGH, VI ZR 89/07:
Auch für den Fall des
Totalschadens bis 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, bringt der
Geschädigte sein Integritätsinteresse regelmäßig dadurch zum Ausdruck,
dass er sein Fahrzeug nach der Reparatur sechs Monate weiternutzt. Er
ist sodann nicht auf den Wiederbschaffungsaufwand beschränkt, mithin
der Restwert nicht anzurechnen ist.
BGH, VI ZR 220/07 (ebenso BGH vom 23.11.2010, VI ZR 35/10):
Am 29.04.2008 hat der BGH geurteilt, dass der Geschädigte eines
Verkehrsunfalls bei fiktiver Schadensabrechnung auf den Ersatz des
Wiederbeschaffungsaufwands, d. h. unter Abzug des Restwerts, beschränkt
ist, wenn er sein - auch unrepariert/teilrepariert - Fahrzeug nicht
mindestens sechs Monate weiternutzt.
BGH, VI ZB 22/08:
Mit
seinem Beschluss vom 18.11.2008 hat der BGH entschieden, dass der
Anspruch des Geschädigten, der den Fahrzeugschaden, der über dem
Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130 %-Grenze liegt,
vollständig und fachgerecht reparieren lässt, auf Ersatz der den
Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten im Regelfall
nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig wird.
Markenwerkstatt
BGH, VI ZR 398/02:
Bei
fiktiver Schadenabrechnung handelt der Geschädigte in der Regel nicht
wirtschaftlich unvernünftig, wenn er die im Sachverständigengutachten
zugrundegelegten Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen
Fachwerkstatt ersetzt verlangen.
Nutzungsausfallentschädigung
LG Kaiserslautern (Urt. v. 14.06.2013, 3 O 837/12):
Das LG Kaiserslautern hat entsprechend
der überwiegenden OLG-Rechtsprechung entschieden, dass die allgemeine
Lebenserfahrung dafür spricht, dass der Eigentümer eines Fahrzeugs,
welches nach einem Unfall nicht mehr fahrtauglich ist, dieses
ohne den unfallbedingten Ausfall weiterbenutzt hätte. Dementsprechend
liegt Nutzungswille auch dann vor, wenn der Geschädigte für längere
Zeit kein Ersatzfahrzeug anschafft.
LG Leipzig, 7 O 1019/08:
Das LG Leipzig hat mit Urteil vom 09.01.2009 unter Hinweis auf den BGH
entschieden, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls nicht
verpflichtet ist, im Interesse des Schädigers die Schadensbeseitigung
bzw. Ersatzbeschaffung durch eigene Mittel vorzufinanzieren.
Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu
finanzieren (vgl. BGH VersR88, 1178). Eine Verpflichtung des
Geschädigten zur Vorfinanzierung besteht nur ganz ausnahmsweise,
nämlich allenfalls dann, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne
Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über
seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird, wobei die
primäre Darlegungslast für eine solche Möglichkeit bei dem Schädiger
liegt (BGH NJW-RR 06, 394, 397).
So waren im zu entscheidenden Fall 189 Tage Nutzungsausfall zu
entschädigen.
Mietwagenkosten
BGH, XII ZR 50/04:
Liegt
der einem Unfallgeschädigten angebotene Tarif deutlich über dem
"Normaltarif" des örtlichen Marktes, so ist der Mieter vom
Autovermieter darüber aufklären, dass dadurch die Gefahr besteht, dass
die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt. Die
Aufklärungspflicht besteht bereits dann, wenn im örtlich relevanten
Markt für die "normale" Anmietung günstigere Tarife angeboten werden.
UPE-Zuschläge,
Verbringungskosten
LG Hannover, 19 S 62/12: Das
Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 26.05.2014 (Az.: 19 S 62/12)
entschieden, dass auch bei fiktiver Abrechnung, d. h. der Geschädigte
rechnet nach Gutachten ab, die sog. UPE-Zuschläge auf Ersatzteile zu
ersetzen sind, wenn diese in den relevanten Markenwerkstätten bei
tatsächlicher Reparatur auch anfielen.
Dem von den Versicherern häufig vorgebrachten Einwand, diese Kosten
seien nur zu erstatten, wenn diese auch nachweislich angefallen sind,
wird damit entgegengetreten.
Denn wenn der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Kosten einer
markengebundenen Werkstatt hat, gehören hierzu auch die dort
üblicherweise anfallenden Kosten wie die UPE-Zuschläge. Schließlich ist
der Geschädigte in der Verwendung des Schadensersatzbetrages frei und
muss diesen nicht oder nicht vollständig für eine ordnungsgemäße
Reparatur in einer Markenwerkstatt ausgeben.
LG Aachen, 6 S 200/04:
Die
UPE-Zuschläge stehen dem Geschädigten auch ohne Vorlage einer
Reparaturbestätigung zu. Der Geschädigte hat einen Anspruch auf
Beseitigung der unfallbedingt entstandenen Schäden in einer
Fachwerkstatt, so dass ihm auch die UPE-Zuschläge zu ersetzen sind,
wenn diese in den örtlichen Fachwerkstätten anfallen. Dies gilt auch
dann, wenn der Geschädigte die Reparaturkosten allein auf
Gutachtenbasis abrechnet, da diese in den örtlichen Fachwerkstätten
anfallen.
Reinigungskosten
Das
LG Lüneburg (Urteil vom 07.04.2015, 9 S 104/14) widerspricht dem
Kürzungsversuch der verklagten Versicherung, wonach angeblich
Reinigungskosten nach einer Reparatur nicht zu erstatten sind. Das
Gericht sprach dem Geschädigten die Kosten der Reinigung, die nach der
Reparatur zur Beseitigung nicht vermeidbarer Verschmutzungen notwendig
wurde, zu. Derartige Reinigungskosten sind auf den Unfall
zurückzuführen und wie die weiteren Reparaturkosten auch zu erstatten. Dieser
bei den Versicherern beliebten Kürzung widersprechen die Gerichte
überwiegend (z. B. AG Bochum, Urteil vom 9.12.2014, AZ: 68 C 305/14; AG
Geldern, Urteil
vom 25.4.2014, AZ: 4 C 119/14; AG Schwäbisch Gmünd, Urteil vom
17.3.2014, AZ: 4 C 890/13; AG Erkelenz, Urteil vom 7.6.2013, AZ: 14 C
120/13; AG Neresheim, Urteil vom 29.10.2013, AZ: 1 C 137/13; AG
Oldenburg in Holstein, Urteil vom 6.2.2013, AZ: 25 C 288/12; AG
Landshut, Urteil vom 20.4.2012, AZ: 10 C 2203/11).
Sachverständigenkosten
Am 11.02.2014 hat der Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 225/13) entschieden,
dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vor der Beauftragung eines
Kfz-Sachverständigen keine Marktforschung betreiben muss. Die
tatsächliche Höhe der Rechnung des Sachverständigen bildet bei der
Schadensschätzung des Richters nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für
die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags. Eine Kürzung
der Sachverständigenkosten allein unter Hinweis auf Grundlage einer
Honorarumfrage (hier: BVSK-Honorarbefragung) ist nicht zulässig.
Dieser
Hinweis auf die BVSK-Umfrage wird von Versicherern häufig verwendet, um
die tatsächlichen Sachverständigenkosten außergerichtlich zu kürzen.
Die Gerichte sind dem bereits bisher häufig nicht gefolgt. Nun hat auch
der BGH hierzu deutlich Stellung bezogen, wonach dies "so einfach" nicht
möglich ist.
Parkplatzunfall
BGH, Urteil vom 15.12.2015, VI ZR 6/15: Der
BGH hatte in einer Streitigkeit zwischen zwei rückwärtsausparkenden
Fahrzeugführern auf einem Parkplatz zu entscheiden. Dabei ging es um
die Streitfrage, ob auch gegen den Fahrzeugführer, der vor der
Kollision sein Fahrzeug zum Stehen gebracht hat - wobei nicht
feststeht, wie lange dieses Stehen andauerte - der sog. Beweis des
ersten Anscheins anzunehmen ist, wonach er den Unfall (mit-)verschuldet
hat. Entgegen einer weit verbreitenden Rechtsprechung, die einen
solchen Anscheinsbeweis annimmt, hat der BGH klargestellt, dass gegen
den zum Stehen gekommenen Fahrzeugführer der Anscheinsbeweis regelmäßig
nicht anzunehmen ist. Von einer häufig standardisierten Haftungsteilung
kann demnach nicht ausgegangen werden.
PKW-Kaufrecht
Nach dem Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Mai 2014, VIII ZR 94/13)
ist der Käufer eines Neufahrzeuges nach vorzunehmender
Interessenabwägung in der Regel zum Rücktritt berechtigt, wenn der
Mängelbeseitigungsaufwand für einen behebbaren Sachmangel einen Betrag
von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Im vorliegenden Fall
hat der Verkäufer die vorausgegangenen Mängelbeseitigungsaufforderung
des Käufers abgelehnt. Die Kosten für die Mängelbeseitigung lagen bei
6,5 Prozent des Kaufpreises. Besondere Umstände, die hier gegen das
Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB
sprachen, waren nicht vorliegend.
Ordnungswidrigkeitenrecht
Das
AG Traunstein hat am 14.11.2013 (Az.: 520 OWi 360 Js 20361/13 (2))
entschieden, dass von der Verhängung eines Fahrverbots ausnahmsweise
abgesehen werden kann, wenn der Betroffene an einem Aufbauseminar für
Kraftfahrer nach § 4 Abs. 8 StVG teilgenommen hat.
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